„Linkshänder – die vergessene Minderheit“

von Marina Neumann
KGS (Körper Geist Seele)
Veranstaltungskalender für Berlin und Umland Februar 2001

Linkshänder haben es schwer. Sie kommen nach wie vor selten vor. Bis heute werden linkshändige Kinder auf rechts umgeschult.
Wie wichtig es aber für Linkshänder ist, sich zu ihrer Händigkeit zu bekennen, wurde auch mir erst durch die Lektüre des Buches von J. B. Sattler „Der ungeschulte Linkshänder oder der Knoten im Gehirn“ bewusst.
Dass ich Linkshänderin bin, war mir immer klar. Ebenso klar war, dass das seit der Einschulung nicht mehr in Ordnung war. Ich wurde unter extremem Druck seitens der Lehrerin auf meine rechte Hand umgeschult. Ich litt sehr unter meiner Umschulung, allerdings stumm. Ich erlebte mich als Außenseiterin, litt unter einem ständigen Krampf im rechten Arm und nahm mein Schicksal hin, ohne es zu verstehen und ohne einen Ausweg zu wissen. Ich war immer anders und fühlte mich nirgendwo zuhause.
Im Alter von 25 Jahren beschäftigte ich mich sehr intensiv mit mir selbst. Jetzt fiel mir meine Umschulung wieder ein, und ich ahnte erstmalig die drastischen Auswirkungen, die diese Umerziehung auf mich gehabt hatte. Ich benannte die Erfahrung für mich als traumatisch. Allerdings fand ich damit keine Resonanz bei anderen Menschen. Was blieb, war ein ab und zu auftauchender Impuls mit links zu schreiben. Das war jedoch sehr anstrengend und ich wechselte jedes Mal schnell wieder auf rechts.
Viele Jahre später dann las ich das Buch von Sattler, welches deutlich die negativen Folgen einer Umschulung beschreibt. In diesem Buch fand ich mich wieder, zum ersten Mal fand ich mich irgendwo wieder. Ich verstand meine Symptome wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen und schnelle Ermüdbarkeit als Folgen der Umschulung.
Angeregt durch das Buch beschloss ich meine Rückschulung auf links und benutzte einen dreiwöchigen Urlaub für meine täglichen Schreibübungen. Diese Übungen wurden begleitet von ganz neuen Gefühlen, Erlebnissen und Ahnungen davon, wie es sich anfühlt in meiner Energie und ich selbst zu sein. Mir wurde sehr schnell klar, dass es bei der Rückschulung um weit mehr ging als ums Schreiben mit links. Es ging darum meine Identität als Linkshänderin wiederzufinden und mein Leben als angepasste Pseudorechtshänderin aufzugeben. Mit der Rückschulung bekam ich erstmalig den Schlüssel dafür in die Hand, wieder eins mit mir zu werden. Ich begann bewusst meine Linkshändigkeit wiederzubeleben und vieles begann sich zu verändern.
Ich konnte erleben, dass ich nach und nach einen Zugang zu inneren Bereichen bekam, die mir bisher verschlossen gewesen waren. Es eröffneten sich mir z. B. die Gefühle meines inneren Kindes, die ich jetzt endlich integrieren kann.
Mit der Wiederbelebung meiner Linkshändigkeit begann ein intensiver Wachstumsprozess und eine umfassende Selbstheilung.
Auf dem Hintergrund meiner eigenen Erfahrung als Linkshänderin sowie meiner fast zwanzigjährigen Berufserfahrung als Psychotherapeutin biete ich Beratung, Therapie und Begleitung bei der Rückschulung für umgeschulte Linkshänder an.

Marina Neumann