Eine kurze Geschichte meiner Wiedergeburt

Meine Umschulung auf die rechte Hand erfolgte vor Schuleintritt. Ich habe nur vage Erinnerungen daran. Bis zu meinem 33. Geburtstag verrichtete ich die wichtigsten Tätigkeiten mit der rechten Hand. Schon früh machte ich die Erfahrung, gerade in den Gebieten, die mir am meisten bedeuteten, regelmäßig zu versagen, und ich entwickelte daraus eine resignierte Haltung zum Leben: Was immer ich für mich wünschte, ich sei nicht dafür geschaffen.Als ich mich im Laufe meines 34. Lebensjahres auf die linke Hand zurückschulte, änderte sich das. Ich war sehr überrascht, als sich meine unerfüllten Träume plötzlich mit Macht über meine linke Seite in die Wirklichkeit drängten. Innerhalb eines Jahres erlangte ich Fähigkeiten, die jahrzehntelang brachgelegen hatten, ich lernte Zeichnen, präzises handwerkliches Arbeiten, Kochen, literarisches Schreiben und entwickelte unerwartete berufliche Kompetenzen.

Vor allem bekam ich einen völlig neuen Blick auf mich und mein Leben. Das schnelle Wachstum und das plötzliche Nachlassen des Kompensations-Stresses waren gesundheitlich und mental nicht leicht zu verkraften. Aber ich gewann eine neue Sicherheit im Umgang mit den Wechselfällen des Lebens.Wenn ich mein heutiges Leben mit dem vor der Rückschulung vergleiche, dann bin ich ob der Diskrepanz an Lebensqualität und -Intensität mit großer Dankbarkeit erfüllt, so sehr, dass die Erinnerung jederzeit sofort, zuverlässig und vollständig gegen jede Art von Weltschmerz hilft. Ich lebe wie an den Ufern eines Flusses, der mich reich beschenkt, und sein gleichmäßiges Rauschen bildet den Rhythmus meines Lebens.

Deborah Erin