von Marina Neumann
Im Sommer 1999 bekam ich „zufällig“ das Buch von J.B. Sattler: „Der umgeschulte Linkshänder oder der Knoten im Gehirn“ in die Hand. Dass ich Linkshänderin bin, war mir immer klar. Ebenso klar war, dass das spätestens seit der Einschulung nicht mehr in Ordnung war.
Ich wurde unter extremem Druck auf die rechte Schreibhand umgeschult. Die Schule war mir damit vom ersten bis zum letzten Tag verleidet worden.
Ich litt sehr unter meiner Umschulung, allerdings stumm. Es schien weit und breit kein anderes Kind zu geben, dem es ähnlich ging. In diesem Buch mit seinen zahlreichen Fallbeispielen fand ich mich wieder, zum ersten Mal in meinem Leben fand ich meine eigene Problematik wieder! Ich verstand, wieso ich als Kind häufig unter Schlafstörungen, Kopfschmerzen und schneller Ermüdbarkeit gelitten hatte, Folgen der Umschulung. Ich begann zu ahnen, weshalb mir meine Kreativität und Phantasie abhanden gekommen waren,
obwohl ich gleichzeitig immer wusste, dass ich diese Fähigkeiten in hohem Ausmaß besitze. Angeregt durch das Buch von Sattler beschloss ich meine Rückschulung auf die linke Hand. Ich benutzte einen sowieso geplanten 3-wöchigen Urlaub für diesen Prozess und machte meine täglichen Schwung- und Nachspurübungen nach der Methode von Sattler.
Diese Übungen wurden begleitet von ganz neuen Gefühlen, Erlebnissen und Ahnungen davon wie es sich anfühlt, in meiner Energie und ich selbst zu sein. Mir wurde auch sehr schnell klar, dass es bei der Rückschulung um weit mehr ging als „nur“ wieder die linke Hand zum Schreiben zu benutzen.
Es ging darum, meine Identität als Linkshänderin wiederzufinden und mein Leben als Pseudorechtshänderin als falsch zu erkennen. Ich begann auf die Suche nach meinen eigenen Fähigkeiten und Potentialen zu gehen. Mit der Rückschulung auf links bekam ich erstmalig
den Schlüssel für mein Wachstum in die Hand, den Schlüssel dafür, wieder eins mit mir selbst zu werden. Ich begann bewusst meine Linkshändigkeit wiederzubeleben. Jetzt mache ich fast alles mit links und bin dadurch schon spürbar ausgeglichener geworden. Ich stehe jetzt mit beiden Beinen auf der Erde und nicht nur verkrampft auf dem rechten. Ich bin jetzt langsamer zugleich aber auch natürlich selbstbewusster. Meine Rückschulung begann mit einem körperlichen Zusammenbruch, ich wurde vorübergehend krank. Das Falsche musste erst zerstört werden, ehe sich das Neue zeigen durfte. Dann begann eine lange Phase einer enormen körperlichen und seelischen Regeneration, es begann ein umfassender Selbstheilungsprozess. Mit der Rückschulung bekam ich erstmalig Zugang zu meinem inneren Kind und kann die Gefühle des inneren Kindes endlich integrieren.
Ich begann erstmals zu fühlen und zu sehen, dass ich nicht die intellektuelle Frau bin für die ich mich immer gehalten habe, zu der ich mich immer notgedrungen gezwungen habe. Im tiefsten Innern gab es zwar immer eine kleine zaghafte Stimme, die mir sagte: „Das bist Du nicht, du bist nicht die intellektuelle Psychologin. Du bist in hohem Maße intuitiv und auch kreativ“. Aber dieser Stimme konnte ich nicht wirklich nachgeben, da ich vor meiner Rückschulung nicht verstand, wieso ich so anders war und im Grunde von aller Wissenschaft
nichts wissen wollte. Jetzt weiß ich es: meine Potentiale liegen in der rechten Gehirnhälfte, im Bereich der Intuition, im Bereich des Visuellen.
Ein absolut wichtiges Ergebnis meiner Rückschulung ist die Tatsache, dass ich mich jetzt traue, meiner inneren Stimme Raum zu geben. Ich kann mir jetzt aus vollem Herzen erlauben zu fühlen, dass ich schon im Alter von 16 Jahren einen kreativen Berufswunsch hatte, das ich nie Psychologie studieren wollte. Das ist emotional sehr entlastend und hat zur Folge, dass ich dabei bin, mein Leben grundsätzlich zu verändern. Meine rechte Gehirnhälfte bekommt mehr und mehr Raum und meine linke Gehirnhälfte hat viel Zeit zum Ausruhen. Ich brauche keine überhöhten wissenschaftlichen Ansprüche an mich zu stellen, werde stattdessen im Alltag, in vielen kleinen Dingen kreativer.